CBGB

New York (2006)



CBGB


CBGB - Eingang CBGB - Abort


Der 22. Februar ist ein Mittwoch. Wir besuchen das CBGB;
nicht wegen der Bands, die heute abend spielen.
Doch der Fußweg ist zäh, in New York ist es bitterkalt.

Der Laden ist schrecklich.
Schon der Eingang amateurhaft. Ein improvisierter Tisch, an dem man zahlt.
Ein Bretterverschlag, fettiges Licht.
Der Raum selber ein dunkler langer Schlauch. Irgendwo ganz hinten fehlen Stühle, da ist wohl die Bühne.
Rechts beginnt in unglaublichem Habbykeller-Rustikal der 80er über fast die gesamte Länge die Theke;
selbst verlegte Kabel und versiffte Funzeln.
Links dann ein Podest mit Tischen und Stühlen, abgesperrt mit gerüstartigem Geländer.
Uralt, welch eine Patina!

Alles ist über und übersät mit Stickern, kleinen Plakaten oder Graffitis, Aufklebern, Flyern und Kritzeleien.
- Alles? Alles. -
Wände, Säulen, Pfosten, die Toiletten sowieso, Türen und Türstöcke, Geländer, Treppenstufen, Tische, Stühle, Bänke.
Der Boden aus dicken Holzbohlen ist durchgetreten, vor allem vor der Bühne, und die schlimmsten Stellen mit
Blechstückchen übernagelt, teilweise sogar schon zum zweiten Mal.
Das, was zur Decke hin außer Reichweite gerät, ist schmutzig schwarz und mit dicksten Staubschichten belegt.
Seit nunmehr dreißif Jahren, welch eine Patina.

Das Rauchverbot für New Yorker Kneipen gilt auch hier, doch das Auge riecht geradezu Zigaretten und Bier,
es wird zu warm, man spürt Gedränge und schwitzende Leiber.
Der klimatisierte Raum ist aber unter der Woche gar nicht voll.
Knutschende Teenager in den Ecken, und Gruppe Althippies und ein paar Touristen.
Sehen so Legenden aus?



geflickter Tanzboden 1 geflickter Tanzboden 2


geflickter Tanzboden 3 geflickter Tanzboden 4


geflickter Tanzboden 5 geflickter Tanzboden 6










Christian

Spanien (2004)

Keine Eile.
Keine Eile, keine Hektik, kein Streß.
Nur Atemzüge. Die Augen schließen sich, die
Nasenflügel weiten sich, die leere Landschaft
strömt ein, hindurch und wieder hinaus.
Die Sonne scheint -
scheint sichtlich bemüht zu siegen.
Doch noch ist Winter.

Die Wolken haben Überhand, grau-braun sind
die Farben, Felsen und niedere Sträucher,
deren Äste fahl sind. Ein zartes Grün und erste
vorsichtige Blumen.
Die Straße windet sich, schmiegt und biegt sich
die Küste entlang, reckt sich empor und fällt
wieder ab. Der schlechte Zustand ist kaum zu
spüren. Der Wagen wie eine safransamte
Schaukel, gleitend, fast schwebend, der alte
Citroen.
Das Meer bleibt weit, es ist ruhig heute. Als
würde der fröstelnde Wind nur an Land wehen.
Doch hinter der Heckscheibe wird die Haut
unter dem dunklen Pullover wunderbar warm.
Die Arme auf dem Polster ausgestreckt, keine
kalten Hände.
Wieder bricht die Sonne durch und strahlt.
Gelbe Sonnenflecken stahlen zurück.
Gelbe Sonnenflecken immer wieder, überall.
Die Leuchtkraft nimmt mit dem Sonnenlicht zu.
Die wärmenden Punkte füllen auf einmal die
Landschaft. Sie wachsen an den steinigsten
Stellen, ziehen den Blick in den hintersten
Winkel, ihr Duft läßt den Kopf heben.
Der Winter wird verlieren.

Der Wagen hält, die Männer steigen aus. Ihre
Silhouetten sind schwarz im Gegenlicht. Den
Blick auf das Meer, die gelben Sonnenflecken
im Rücken. Beide haben die Arme ineinander
verschränkt und die dünnen Hemden flattern.

Später - später werden wir in der Bucht von
Portbou ein windstilles Eckchen finden und
wohlig angenehm in der Sonne sitzen, und
essen und trinken und träumen.
Später dann werden wir diese Grenze passiert
haben, die keine mehr ist. Etwas
seltsam vereinzelte Häuser stehen leer; die
Schilder werden sich ändern, die Straße kaum.

Später dann werden wir auch in diesem ersten,
spanischen Ort in einer unwichtigen
Seitenstraße vor einem schmalen, unschönen
Haus stehen, hinter dessen belangloser
Fassade ein verzweifelter jüdischer Philosoph
vor mehr als 60 Jahren die Flucht vor dem
bekanntesten aller Deutschen aufgab und sich
das Leben nahm. Vorne auf der Hauptstraße
werden unter den Platanen die Marktstände auf
dem um diese Jahreszeit lichtdurchfluteten
Platz abgebaut. Die Geschäfte schließen, wir
brauchen noch Rotwein, Baguette und Käse.
Dabei hatte er doch hier die Grenze, die da noch
eine war, schon geschafft.

Später dann werden wir in der Mittagssonne
dösen und auf dem schmalen Strand Sachen
suchen, die das Meer zurückgelassen hat.
Möwen zanken sich um einen toten Fisch, denn
noch sind die Strände nicht aufgerämt. Wir
werden Stöcke und Steine in die Hand nehmen,
Muscheln und Scherben aufheben.
Walter Benjamin aber nahm Morphium.

Später werden wir an seinem Grab stehen, das
wahrscheinlich gar nicht mehr sein Grab ist.
Der Friedhof liegt den nächsten Berg hoch und
thront ¨ber den Ort und das Meer. Ein Denkmal
hat er hier bekommen, wir werden dessen
rostige Erhabenheit genießen und seine
einzelnen Stationen ablaufen, Rosmarin und
Salbei für das Abendessen mitnehmen.
Später werden wir weiter gen Süden fahren, bei
aufgeklartem Himmel werden dann die
Sonnenflecken ganze Flächen bilden.

Aber jetzt - in diesem einen Moment, schier
endlosen, der Seltenheit gewahr, als hinter der
Kuppe in dem nächsten, zum Meer hin steil
abfallenden Tal die schmale Straße im
ungleichmäßig wellenförmigen Hin und Her
dicht an den Felsen gedrückt abwärts führt, um
in einem langen, sich immer enger zuziehenden
Bogen auf der anderen Seite in gleicher Weise
wieder anzusteigen, noch weit bevor der
Wagen dann in seiner unvergleichlichen feder-
weichen Art über den letzten und noch
imposant steileren Hang geradezu von oben in
den in die kleine Bucht gedrängten Grenzort
Cerbère hinein sinken wird, hier, in dieser
steinigen Schlucht, deren gar nicht so kleiner,
vom Vorfrühling angeschwollener Bach, seinem
Ziel spürbar nah, wild schäumt, kurz bevor es an
der äußersten Spitze des Straßenbogens über
eine kleine, alte, noch schmalere, Bruchstein
gemauerte Brücke geht, unterhalb der Brücke,
zwischen dem Bach und der Straße auf
Augenhöhe wieder dieses Gelb, das, weil die
Wolken die Sonne gerade wieder freigeben,
um so duftender leuchtet -
habe ich mich nach vorne gebeugt und gefragt:

"Was sind das für Bäume, Christian?"
"Das sind Mimosen", sagte er.

La Jonquera
Der süße Wein von Banyuls
Meine Dachterrasse, Barcelona
Der verwegene Baum von Port Vendres
Die verlassene Grenze
Der Frühling
Mimosenmäuschen










Who killed Bambi?

Road Kills (2003)

< /tr>

Sei ehrlich.
Ein irritierter Blick in den Rückspiegel.
der dumpfe Schlag gerade war wohl ein Stein
oder ein Ast - vielleicht.
Doch zu sehen war nichts, viel zu schnell und es
ist dunkel.
So sehen wir nicht das Tier zur Hälfte
festgefahren auf dem Asphalt,
oder erschlagen am Stra&sylig;enrand.
Noch hören wir die Schreie, erlöst erst durch
den nächsten Autoreifen.
Sie haben sich beim Überqueren der STraße
verrechnet.

Und dann?
Dann wird das Rot zu Grau.
Immer enger wird die Verbindung mit dem
Untergrund,
immer flacher, immer feiner ihr Bild.
Und sie werden schön.
Der Hase stellt die Ohren auf und wirft
die langen Beine von sich.
Die Katze verliert den Kopf.
Der Fuchs hat sich zum Schlaf zusammen
gerollt.
Müterlich breitet eine Taube ihre Flügel aus.
Die Schlange verirrt sich in sich selbst und
findet keinen Ausweg.
Völlig platt nagt noch jetzt die Ratte an der
Blechdose.

Das macht es nicht wieder gut.
Dennoch, der Tod ist nicht das Schlimmste,
was im Leben passieren kann.
Das Schlimmste ist der Verlust an Würde.

Kölner Bahnhofsratte
Schwedische Elster
Schlange, Camargue
Tarn-Schlange
Arragon-Kröte