Die Bucht der Balustraden

Die Bucht der Ballustraden 1Es gibt auch das Umgekehrte: ein Motiv, das der Künstler immer schon mal fotografieren wollte, hat plötzlich eine Funktion bekommen und kann deshalb in ein Bild umgesetzt werden. Die Steilkünste zwischen Cerbère und Portbou soll die Bucht der Balustraden werden. Hier, wo die Pyrenäen ins Mittelmeer stürzen, verschieden steil aufgrichtete Schieferwände schräg und zersplitternd in blaugrünes Wasser fallen, Fluchtweg so vieler Emmigranten, die an dieser Stelle zu Fuß oder per Eisenbahn den Übertritt aus dem unsicheren Frankreich ins nicht sehr viel sicherere Spanien versuchten und Endpunkt für einen von ihnen, Walter Benjamin, der sich in Portbou das Leben nahm, hier sitzt jetzt der Fotograf, misst Lichtstärken und versucht, den gleichen Helligkeiten und damit gleichen Grauwerten der Licht reflektierenden Schieferwände einerseits und des strahlend blauen Himmels andererseits durch einen Orangefilter abzuhelfen, der die Kontraste verstärken soll. Still ist diese Bucht der Balustraden, nicht tosend laut wie die Ransmayrs, in der Echo die Worte vom Mund gerissen werden, nur ein leichter Wind geht. Aber selbst der kann das Bild gefährden, denn die ausgezogene Zieharmonika des Kamerakanals ist anfällig für jeden Windstoß. Der Fotgraf wartet daher auf ein Windloch. Ob es lang genug war, wird er wiederum erst im Rotlicht der Dunkelkammer sehen.